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Wo der Hausarzt eine gute Stellung hat, sind die Kosten tief. «Viel Medizin macht nicht gesünder», sagt Professor Thomas Rosemann, Direktor des Instituts für Hausarztmedizin. Er fordert fairere Löhne und modernere Arbeitsmodelle.
In skandinavischen Ländern herrscht kein Hausärztemangel, weil die Einkommensunterschiede zwischen Spezialisten und Hausärzten gering sind. In der Schweiz verdient ein Hausarzt durchschnittlich 107 000 Franken pro Jahr. Ein Chirurg kommt auf rund 400 000 Franken.
Man muss sich dabei fragen, ob jemand, der einen Patienten nach dem anderen in eine MRT-Röhre schiebt, drei Mal so viel verdienen soll wie jemand, der mehr oder minder Tag und Nacht für seine Patienten da ist. Ziel muss es sein, die Löhne anzugleichen. Das Schweizer Gesundheitssystem ist äusserst technikorientiert. Es gibt viele hoch spezialisierte Einrichtungen, die entsprechend ausgelastet werden und zu hohen Kosten führen – ohne dass dies auf die Gesundheit der Bevölkerung einen Einfluss hätte. Der Glaube, dass viel Medizin gesünder macht, ist tief verankert.
Zudem ist die zunehmende Kommerzialisierung ein Problem. In den USA wird entlang der Highways im grossen Stil für Ganzkörper-Computertomographien geworben. Das ist absoluter Wahnsinn, wenn man bedenkt, mit welcher Strahlenbelastung ein solcher Untersuch einhergeht. Viel Diagnostik ist nicht immer vorteilhaft. Damit werden oft Befunde zutage gefördert, unter denen die Betroffenen nie gelitten hätten.
Der Hausarzt leistet Orientierungshilfe und rät auch einmal, auf einen Untersuch verzichten, wenn dieser nicht zwingend ist. Objektive Daten belegen, dass eine hoch spezialisierte Medizin auf die Mortalität einen erstaunlich geringen Einfluss hat. In Holland, wo die Hausarztmedizin eine starke Stellung hat, werden pro 100 000 Einwohner und Jahr 140 Herzkatheteruntersuche gemacht. In Deutschland sind es 550. Dennoch ist die entsprechende Mortalität in Deutschland um 60 Prozent höher.
Der Beruf des Arztes ist ein Stück weit von der Berufung zum Job geworden. Heute ist eine gute Work-Life-Balance ein grosses Thema. Die Nachfrage nach Teilzeitstellen hat zugenommen, auch durch die Feminisierung der Medizin. Von daher ist völlig klar: In Zukunft wird es vermehrt grössere Praxen geben, in denen Ärzte als Angestellte arbeiten. Viele Junge wollen keine unternehmerische Verantwortung mehr übernehmen und räumlich flexibel sein. |
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